Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13.07.2020, Aktenzeichen OVG 11 N 56.18
Klageverfahren der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e. V. gegen die wasserrechtliche Genehmigung für eine Steganlage am Müggelsee
Zusammenfassung des Beschlusses durch T. Stähle
- Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat mit dem o. g. Beschluss den Berufungszulassungsantrag der Beigeladenen (Vorhabenträgerin) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) vom 22.03.2018, Aktenzeichen VG 10 K 106.16, abgelehnt. Damit ist das Urteil des VG rechtskräftig. Das VG hatte die wasserrechtliche Genehmigung für eine Steganlage am Müggelsee aufgehoben. Wesentlicher Grund dafür war der Verstoß gegen FFH-Recht. Konkret hat das VG auf erhebliche Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps (LRT 3150) abgestellt. Dieser LRT ist als Erhaltungsziel des FFH-Gebiets „Müggelspree-Müggelsee“ geschützt.
- Das OVG stellt in seinem Beschluss fest, dass keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG bestünden.
- Insbesondere führt es aus, dass das so genannte „Zweitrechtsbehelfsverbot“ nicht greife. Die Beigeladene hatte vorgetragen, dass das Verbandsklagerecht ausgeschlossen sei. Sie bezog sich zur Begründung auf einer Güteverhandlung vor dem VG und einen dort abgeschlossenen Vergleich. Das OVG merkt an, dass das „Zweitrechtsbehelfsverbot“ nicht zur Anwendung komme. Es setze voraus, dass eine Entscheidung „aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist“. Die wasserrechtliche Genehmigung sei indes im Anschluss an den Vergleich erteilt worden. Sie sei nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst.
- Das OVG bestätigt den Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG durch die Steganlage. Nach § 34 Abs. 2 BNatSchG ist ein Projekt unzulässig, wenn es zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Das VG hatte sich zur Begründung des Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG maßgeblich auf die „FFH-Verträglichkeitsstudie sowie Prüfung anhand der EU-Wasserrahmenrichtlinie zum geplanten Bau einer Bootssteganlage im Großen Müggelsee vor dem Ufergrundstück …“ vom 18.12.2014 bezogen. Das Gutachterbüro war in der Studie zu dem Schluss gekommen, dass sowohl der Bau der Anlage etwa durch Verschattung und Störung der Uferzone als auch die Nutzung der Steganlage durch Boote (Lärm-, Schadstoff- und Wellenemissionen) zu einer Beeinträchtigung des LRT 3150 führen könnten. Allerdings hatten das Gutachterbüro und die Zulassungsbehörde rechtsfehlerhaft die Auffassung vertreten, dass die in dem Gutachten beschriebenen Kompensationsmaßnahmen den Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG abwenden könnten.
- Das VG hatte klargestellt, dass es sich bei den im Gutachten beschriebenen Maßnahmen nicht um Vermeidungs- oder Minimierungsmaßnahmen handelt, welche an der Quelle des Eingriffs ansetzen müssen. Nur diese können die Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigung ausschließen. Kompensationsmaßnahmen sind im Gegensatz zu Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen gerade nicht mit dem Eingriff zu saldieren.
- In seinem Beschluss betont das OVG, dass die maßgeblichen auch vom VG zitierten Ausführungen zu § 34 BNatSchG in der FFH-Verträglichkeitsstudie zeigten, dass die Gutachter von rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen seien, die der vom VG zugrunde gelegten und auch von der Vorhabenträgerin als maßgeblich angesehenen höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht entsprächen. Das OVG macht der Interpretation der Vorhabenträgerin einen Strich durch die Rechnung. Mit ihrem Berufungszulassungsantrag hatte die Vorhabenträgerin den Versuch unternommen, Maßnahmen wie etwa die Vergrößerung der Wasserfläche durch das Zurückverlegen der Uferlinie als Vermeidungs- bzw. Minimierungsmaßnahme zu deklarieren. Diesbezüglich wendet das OVG ein, dass von einer Vermeidungs- bzw. Minimierungsmaßnahme nur dann gesprochen werden könne, wenn durch ein Projekt entstehende Beeinträchtigungen der Schutzgebiete als solche bereits wirksam verhütet oder verringert würden. Maßnahmen wie der Rückbau des Ufers verhinderten nicht die Verschattung durch die streitgegenständliche Steganlage als solche. Dies entspreche auch der Verträglichkeitsstudie. Nach dieser könnten anlagenbedingte Beeinträchtigungen in Form von Beschattung des Gewässergrundes durch eine lichtdurchlässige Ausführung des Stegs minimiert werden. Sie seien aber dadurch nicht vermeidbar. Bei der Zurückverlegung des Ufers handele sich um eine Kompensation der Beeinträchtigung. Das OVG führt unter Bezugnahme auf die Verträglichkeitsstudie aus, dass auch die Beeinträchtigungen durch Lärm, Abgase und Wellenentstehung (für den LRT 3150) nicht vermeidbar seien. Vorgesehene Maßnahmen wie z. B. eine Geschwindigkeitsreduzierung seien ebenfalls nur Minimierungsmaßnahme.
- Unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung stellt das OVG weiter klar, dass ein Projekt nur dann zugelassen werden könne, wenn die zuständigen nationalen Behörden unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse Gewissheit darüber erlangt hätten, dass sich das Projekt nicht nachteilig auf das Gebiet als solches auswirke. Dies sei dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran bestehe, dass es keine solche Auswirkungen gebe. Der Verträglichkeitsstudie lasse sich entnehmen, dass trotz der vorgesehenen Maßnahmen erhebliche Beeinträchtigungen hinsichtlich der Erhaltungs- und Entwicklungsziele für FFH-Arten und FFH-Lebensräume nicht ausgeschlossen werden könnten.
- Schließlich betont das OVG, dass die Einwände der Vorhabenträgerin gegen die Ausführungen des VG zu § 34 Abs. 3 BNatSchG nicht durchgriffen. Nach dieser Vorschrift kann der Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG durch die Erteilung einer so genannten Abweichungsentscheidung abgewendet werden. Allerdings ist dies nur möglich, wenn das Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Die Vorhabenträgerin hatte dazu allen Ernstes vorgetragen, dass es bereits angesichts des Mangels auch an repräsentativen Wohnmöglichkeiten für hohe Steuern zahlendende Berliner, die sonst abwandern würden, zweifelhaft sei, dass an der Steganlage selber kein öffentliches Interesse bestehe. Zudem hatte die Beigeladene auf die Umstrukturierung des Uferbereichs verwiesen. Das OVG macht deutlich, dass das in Rede stehende Projekt nicht die Renaturierung sei, sondern die Steganlage. Darüber hinaus sei es fernliegend, dass die privat zu nutzende Steganlage aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig wäre.
- Nach alledem ist zusammenfassend festzuhalten, dass das OVG mit deutlichen Worten das Urteil des VG und damit die Aufhebung der wasserrechtlichen Genehmigung bestätigt hat.