Offener Brief an die Berliner SPD: Natur- und Klimaschutz konsequent umsetzen

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Sehr geehrte Frau Giffey, sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrter Herr Saleh,

jahrelang wurde um die Charta für das Berliner Stadtgrün gerungen, unzählige Stunden sind in die
Novellierung der Bauordnung geflossen und auch die Fortschreibung des Mobilitätsgesetzes war
ein intensiver Arbeitsprozess. Nun werden beide Gesetze und die Selbstverpflichtung nicht
verabschiedet, wofür die SPD maßgeblich verantwortlich ist.

Damit blockiert die Berliner SPD progressive Gesetze, die zwar nur auf Kompromissen basieren,
unsere Stadt aber trotzdem im Klima- und Naturschutz vorangebracht hätten. Die Charta für das
Berliner Stadtgrün fiel sicher wesentlich weniger konkret aus, als es sich die Berliner Umwelt- und
Naturschutzverbände erhofft hatten. Dennoch wäre es für die Sicherung von Flächen für die Natur
und damit auch die Lebensqualität der Berliner*innen von großer Bedeutung gewesen, die vom
Senat längst beschlossene Charta nun auch im Abgeordnetenhaus zu verabschieden, wie wir in
unserem offenen Brief vom 21. Juli 2021 ausführlich dargelegt haben.

Wir fragen uns nun: Ist der SPD überhaupt bewusst, wie dringend geboten die Sicherung von
Grünflächen für den Schutz der Biodiversität, den Klimaschutz und die Klimawandelanpassung ist?

In der Koalitionsvereinbarung von 2016 versprachen SPD, Grüne und Linke:

Berlin ist auch die lebenswerte europäische Metropole, weil sie über viele Grün- und Wasserflächen
verfügt. Wir werden diese einmaligen Werte schützen und die weitere Entwicklung Berlins in Einklang
mit Umwelt und Natur bringen, um das Ziel, Berlin 2050 zur klimaneutralen Stadt zu machen, zu
erreichen.

Das Auftreten der SPD im Wahlkampf 2021 lässt von dieser Absicht nicht mehr viel erkennen. Das
Wahlprogramm der SPD ignoriert den Naturschutz sogar vollständig, der Begriff wird nicht einmal
verwendet. Auch der Klimaschutz wird nicht in einem eigenen Teil behandelt. Hingegen werden
Bauen, Wohnen und Verkehr umfangreich thematisiert.

Sogar noch vor wenigen Wochen hat die SPD gegenüber dem NABU Berlin[1] Aussagen getroffen, die nicht zu ihrer aktuellen Blockadehaltung passen:

  • „[…]müssen wir den Ausstoß von CO₂ und anderen Treibhausgasen in Berlin schnellstmöglich
    reduzieren[…]“[1]
    Mit der Novelle des Mobilitätsgesetzes wäre Berlin einen bedeutenden Schritt in diese
    Richtung gegangen.
  • Die steigende Flächenknappheit darf deshalb nicht einseitig zulasten des Stadtgrüns gehen.
    Grünanlagen sind ein Pfeiler der Umweltgerechtigkeit. Sie tragen zu einem guten Stadtklima
    bei, nehmen Regenwasser auf und leisten einen Beitrag zur Artenvielfalt in Berlin.[1]
    Die Charta für das Berliner Stadtgrün wäre eine Grundlage für die Umsetzung dieser
    Aussage gewesen.
  • Zu der Frage, ob die SPD die Verankerung von Maßnahmen gegen Vogelschlag an Glas
    sowie die Schaffung künstlicher Lebensstätten für Fledermäuse und Vögel in der
    Bauordnung unterstützt, heißt es: „Ja. Beide Forderungen sind in der geplanten
    Novellierung der Berliner vorgesehen. In der entsprechenden Ausschuss-Anhörung hat sich
    unsere Fraktion im Abgeordnetenhaus bereits zustimmend positioniert.[1]
    Die novellierte Berliner Bauordnung wäre über die Regelungen der anderen Bundesländer
    hinausgegangen und hätte neue Maßstäbe gesetzt. Das wäre durchaus angemessen für
    eine Stadt, die Mitglied im Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ ist.

Wir bedauern es sehr, dass die SPD offenbar ihre eigenen politischen Ziele aus den Augen verloren
hat. Der plötzliche Kurswechsel in entscheidenden umwelt- und naturschutzpolitischen Fragen so
kurz vor der Wahl dürfte viele Wähler*innen in die Irre führen. Hindernisse für die Umsetzbarkeit
wie Personalmangel auf der Bezirksebene sollten offensiv thematisiert und angegangen werden
anstatt zu einem kompletten Stopp progressiver Stadtentwicklung zu führen.

Wir fordern die SPD deshalb nachdrücklich auf, die ihr von den Berliner*innen übertragene hohe
Verantwortung für die Stadt wahrzunehmen, zu ihren Aussagen zu stehen sowie den Naturschutz
und Klimaschutz endlich ernst zu nehmen!

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Altenkamp, 1. Vorsitzender NABU Berlin

Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer BUND Berlin

Uwe Hiksch, Stellvertretender Landesvorsitzender NaturFreunde Berlin

Manfred Schubert, Geschäftsführer BLN


[1] NABU-Wahlprüfsteine: berlin.nabu.de/parteiencheck


Offener Brief zur Natur- und Klimaschutzpolitik der SPD (PDF)