Warum Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm nicht zur Sicherung von Grünflächen ausreichen

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Beitrag von Manfred Schubert zur BUND-Diskussionsveranstaltung „Berliner Grünflächen verbindlich schützen“ am 31.01.2019

Sie werden sich fragen, warum reichen der Berliner Flächennutzungsplan und das Landschaftsprogramm 2016 nicht aus, um das Berliner Grün zu sichern?

Ich kann Ihnen dazu, aus Sicht der Berliner Naturschutzverbände eine Einschätzung geben, die auf jahrelangen Erfahrungen und aus der Auseinandersetzung mit etwa 50 Bebauungsplänen im Jahr beruhen.

Die Realität sieht so aus: in den Begründungen zu den Bebauungsplänen werden die Festlegungen des Flächennutzungsplanes und des Landschaftsprogrammes ausführlich dargelegt, im Rahmen des Abwägungsprozesses mit anderen Anforderungen fallen diese dann – vor allem, die des Landschaftsprogrammes – oft hinten herunter.

Darüber hinaus erinnere ich auch an die 3 ha Falle des Flächennutzungsplanes, Bauvorhaben können unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Flächen mit Grünfestsetzungen errichtet werden, ich erinnere auch daran, dass neue Bebauungspläne dazu führen, dass der Flächennutzungsplan – wenn notwendig – an den Bebauungsplan angepasst wird und nicht umgekehrt, dass der Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan abgeleitet wird, wie es eigentlich sein sollte.

Eine Forderung der Berliner Naturschutzverbände, den Flächennutzungsplan vom Grundsatz her unter Berücksichtigung der das Grün, das Klima, den Boden und die Gewässer schützenden Planwerke und vieler neuer Ziele wie der Förderung der biologischen Vielfalt oder mehr Umweltgerechtigkeit für den Menschen grundlegend zu überarbeiten, wurde gebetsmühlenartig in jeder Stellungnahme der Naturschutzverbände zu Änderungen des Flächennutzungsplanes formuliert. Es gab bisher seitens der Stadtplanung keine Bereitschaft, diese Forderung aufzugreifen. Zur Erinnerung, die letzte grundlegende Neufassung erfolgte 1994 und ist in diesem Jahr 25 Jahre alt geworden.

Es gibt daneben andere Regelwerke zum Schutz von Grün- und Freiflächen wie Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebietsausweisungen und zahlreiche Konzeptionen – die Berliner Strategie zur biologischen Vielfalt, die Strategie Stadtlandschaft oder den Stadtentwicklungsplan Klima oder Pläne wie den Friedhofs- und den Kleingartenentwicklungsplan. Die Berliner Stadtentwicklungs- und Umweltverwaltung hat im letzten Jahrzehnt sehr wertvolle Grundlagen für den Erhalt von Grün in der Stadt erarbeiten lassen, nur, diese wurden bisher nur in Ansätzen und unzureichend umgesetzt, das ist unser Fazit.

Mit der Charta Stadtgrün muss es gelingen, auf den durch den Charta Prozess definierten Flächen diesen Mechanismus entscheidend zu durchbrechen. Über durch die Charta Stadtgrün geschützte Flächen darf es keine Diskussion mehr geben, ob diese für bauliche Zwecke genutzt werden können – nein, diese stehen dafür nicht mehr zur Verfügung und sind tabu.

Durch die Charta Stadtgrün muss das Landschaftsprogramm eine zentralere Bedeutung als bisher erhalten und als Steuerungselement aufgewertet werden.

Die gesamtstädtische Ausgleichskonzeption und das neue Bauleitplanerische Ökokonto gehören ebenso unter das Dach der Charta Stadtgrün und sind künftige Instrumente der Grün- und Freiflächensicherung.

Wie stellen sich die Naturschutzverbände die konkrete Umsetzung vor?

  1. Dazu bedarf es eines Straußes von Maßnahmen, die in der Stellungnahme der Naturschutzverbände formuliert sind. Meines Achtens ist es vor allem wichtig, die Charta Stadtgrün in allen einschlägigen Gesetzen wie in das Berliner Naturschutz-, das Wasser- und das Landeswaldgesetz zu implementieren, jeweils in einer auf das Gesetz bezogenen Form. Beispiel: auf Charta Stadtgrün Flächen dürfen keine Waldumwandlungsgenehmigungen nach § 6 des Landeswaldgesetzes mehr erteilt werden; gesetzlich geschützte Biotope auf nach § 28 Berliner Naturschutzgesetz geschützten Flächen dürfen nicht bebaut werden.
    Eine Verankerung der Charta Stadtgrün- Flächen könnte auch über § 26 Berliner Naturschutzgesetz als geschützte Landschaftsbestandteile erfolgen.
    Dies sind alles Denkanstöße, vom Verfahren her wäre ein Artikelgesetz zu empfehlen, mit dem die Charta Stadtgrün in den einzelnen Gesetzeswerken verankert werden kann, ohne jedes einzelne Gesetz mit aufwendigen Novellierungsverfahren mit ungewissem Ausgang zu überziehen.
  2. Ohne eine konkrete Flächenkulisse wird die Charta Stadtgrün ein zahnloser Tiger bleiben. Die Stadtgesellschaft muss daher in einem Dialogverfahren festlegen, welche Flächen dazu gehören sollen. Auch dazu haben die Verbände in Ihrer Stellungnahme Vorschläge vorgelegt. Eine Arbeitsgruppe der Verbände arbeitet gegenwärtig an der Präzisierung der Flächenkulisse. Die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit noch rechtzeitig vor der nächsten Öffentlichkeitsbeteiligung vorgestellt. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung.
  3. Entscheidend ist aber auch ein Umdenken in der Berliner Stadtgesellschaft, der Wert des Grüns in der Stadt, zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen aber auch für die Gesundheit und das Wohlergehen des Menschen muss stärker in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung gestellt werden als bisher.

Mit der Charta Stadtgrün besteht die Chance, eine neue Qualität und Verbindlichkeit für den Erhalt von Grün- und Freiflächen in Berlin zu schaffen, in dem die vorliegenden Planwerke miteinander vernetzt werden. Die Selbstverpflichtung des Landes Berlin zur dauerhaften Sicherung der Charta Stadtgrün Flächen muss durch Beschlüsse des Senats von Berlin, des Rates der Bürgermeister und des Abgeordnetenhauses von Berlin aber auch von bezirklichen Gremien besiegelt werden.

Die Berliner Naturschutzverbände sind bereit, an diesem Prozess mit Anregungen und Ideen mitzuwirken.